Durchfechter

Durchfechter

Transkript

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Ich habe eigentlich schon in der Rückschau den Eindruck, dass ich die meiste Zeit meines Lebens das, was ich wirklich wollte, mit ganzer Kraft gemacht habe. Das, was ich gerne gemacht habe, habe ich mit ganzer Kraft gemacht. Dann ergibt sich ganz vieles von alleine. Am Schluss, als ich 2017 aufgehört habe, hat ja etwa die Hälfte der Kollegen beim Bundesgerichtshof mich gar nicht mehr gegrüßt. Auch nicht mit mir gesprochen. Auch die, die, mit denen ich noch nie ein Wort geredet hatte, außer Guten Tag und Guten Morgen, sind irgendwo umgefallen in der weiten Welt und haben gesagt der Fischer ist ein ganz Schlimmer. #00:00:31-1#

Ernst Timur Diehn: (Musik) Herzlich willkommen zu unserer Durchfechter-Episode Nummer 38. Diesmal sprechen wir mit Thomas Fischer, einen der bekanntesten, zugleich umstrittensten Juristen im Land. Über viele Jahre prägten Fischers Kommentare und Urteile die Entwicklung im Deutschen Strafrecht. Hunderttausende lesen seine Kolumnen zu kniffeligen juristischen Themen. Fischer war Vorsitzender des zweiten Strafsenats am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Von der Presse gerne Rebellensenat genannt. Denn Thomas Fischer legt sich oft mit der eigenen Zunft an, wenn er es für dringend geboten hält. Fischer entstammt einfachen Verhältnissen. Die Abschottung selbsternannter Eliten hinter Hierarchien und unreflektierter Ideologie ist ihm ein Graus. Wie man damit umgehen kann, wenn man selber dazugehört, auch davon berichtet uns Thomas Fischer. Mein Name ist Timur Diehn und ich wünsche euch jetzt viel Spaß mit der neuesten Episode des Durchfechter. (Musik) #00:02:06-9#

Es kann natürlich sein, dass man überzieht und dass man die Grenzen überschreitet. Auch die eigenen Grenzen überschreitet, ja. Das habe ich in meiner Jugend durchaus gemacht. Und es hätte auch alles ganz anders ausgehen können. Als ich zwischen meinem 17. und 25. Lebensjahr war ich sicher in mancherlei Hinsicht gefährdet und da, diese Biographie hätte auch im Abseits landen können. Ich glaube auch deshalb. Nicht nur aus intellektuellen Gründen, sondern auch aus emotionalen und biographischen Gründen habe ich großes Verständnis dafür, dass sich Biographien hierhin und dorthin entwickeln können und auch durch tiefe Abgründe gehen können. Das kann natürlich nützlich sein, dass man hinterher sagt kann ich mir vorstellen, ja, habe ich auch schon mal erlebt. Strafrecht hat mich immer fasziniert. Zum Einen wegen der Verbindung zu, sagen wir mal, im weitesten Sinne philosophischen Fragestellungen, weil das ein Teilbereich des Rechts ist, der sehr nahe und sehr unmittelbar als Grundsatzfragen verbunden ist. Also zum Beispiel die Frage was ist Verantwortung? Wie entsteht Verantwortung? Also das, was wir Schuld nennen? Und wie wird sie zugerechnet? Und wie wird sie begründet? Und wie verändert sie sich? Wie funktioniert dieses System von Normativität und Faktizität und diese Gemeinsamkeit von beidem in der Gesellschaft. Das hat mich immer sehr interessiert. Und da ist man im Strafrecht natürlich unmittelbar immer dran. Und das hat eigentlich jetzt schon vierzig Jahre gehalten. Diese Faszination erlebe ich noch immer. (Musik) Ich bin im Sauerland geboren, 1953. Mein Vater war Sudetendeutscher, also tschechischer Staatsbürger, der dann nach 1945 vertrieben wurde und als sogenannter Vertriebener dann da ins Sauerland gewiesen wurde. Und meine Mutter kam aus dem Sauerland. Die waren beide schon relativ alt als ich geboren wurde. Für die damaligen Verhältnisse sehr alt. Und deshalb ist mein Vater auch schon früh gestorben. Nämlich als ich 13 war. Der Tod meines Vaters führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie. Und führte auch dazu, dass ich den Eindruck hatte, dass ich da, dass meines Bleibens da nicht länger sei. Dann ergab es sich, dass ich 1970 dann mit 17 knapp, ja, gerade 17 da weggezogen bin und zunächst in ein Internat. Da bin ich aber schon nach wenigen Monaten da wieder ausgezogen. Also ich war zunächst mal, habe ich versucht da Musiker zu sein. Das ist aber nach zwei Jahren gescheitert. Dann habe ich noch eine Weile zum Beispiel bei der U.S. Army gearbeitet in Frankfurt. Ganz interessante Jobs, die mir heute eher romantisch erscheinen, wenn man so zurückdenkt nach vierzig Jahren. Damals aber natürlich sagen wir nicht ganz ohne waren teilweise. Bloß weil ich irgendwie eine andere Motivation hatte. Dann bin ich leider zur Bundeswehr eingezogen worden. Weil ich vergeblich versucht hatte zu verweigern. Das wurde, war ja damals nur mit so einem Anerkennungsverfahren verbunden. Es ist mir nicht gelungen diese Anhörungskammern oder wie die hießen zu überzeugen davon. Was mir einen schweren psychischen Schock versetzt hat, weil das war eine Welt, die mir vollkommen zuwider war. Muss ich ehrlich sagen. Bundeswehr hat mich wirklich nicht erfreut. Deshalb habe ich dann nach einiger Zeit nochmal einen erneuten Versuch gemacht zu verweigern. Bin da mit Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwalts aus Frankfurt anerkannt worden und dann freudig nach Frankfurt zum Arbeiter Samariterbund als Rettungssanitäter gegangen und habe dort nochmal 18 Monate normal Zivildienst gemacht (Musik) Es hat mich vor allen Dingen dieser schon erwähnte Rechtsanwalt hat mich irgendwie beeindruck. Weil er das souverän machte und es schien mir irgendwie ein angenehmes oder erstrebenswertes Lebenskonzept. Und in der Tat bin ich durch diese Verweigerung, Kriegsdienstverweigerungsaktivitäten mit diesem, ich sagen mal, Rechtssystem in Verbindung gekommen. Mit einem eher abstoßendem Abschnitt dieses Rechtssystems. Weil ja diese Anhörungskammern sowohl in der Sache relativ gewöhnungsbedürftig waren, die Frage wie man bei einem mehr oder minder gebildeten, mehr oder minder kommunikativ strukturierten oder begabten jungen Menschen jetzt feststellen könnte, was der für eine innere Gesinnung hat und ob seine Überzeugung eine Willens- oder eine moralische Überzeugung ist, das ist ja schon für sehr hochqualifizierte Personen nur schwer zu erkennen. Und da saßen aber natürlich keine hochqualifizierten Personen sondern irgendwelche pensionierten Verwaltungsrichter oder Beamte, die sich gegenseitig fragten wo haben Sie gedient? Und Kriegsdienstverweigerer, die da vor ihnen auftauchten allesamt als Drückeberger und Spinner ansahen. Entsprechend waren dann diese Verhandlungen. Ich wurde also zusammengeputzt wegen dieses Gefühl völliger Hilflosigkeit was man da hatte. Weil ich natürlich wie die meisten wahrscheinlich in keiner Weise da irgendwie damit vertraut war. Sondern im Gegenteil, schlichtweg blöd, ne. Diese juristischen Belehrungen zogen so wie Schatten an einem vorbei und man verstand überhaupt nicht worum es geht. Und trat da so mit großer Sicherheit immer genau ins Falsche. Und manchmal wird einem mit Schrecken klar, dass es ja sehr viele Menschen wahrscheinlich auch heute gibt, denen es ganz genauso geht, ja. Wenn die mit diesem System in Verbindung kommen. Und wenn man die immer völlig entgeistert fragt, ja, wieso haben Sie denn das, diese Belehrung nicht gelesen? Da steht es doch ganz genau. Und gar nicht verstehen können, warum die so viel Angst davor haben, so abgeschreckt sind schon von diese Übermacht des vorgeblichen Wissens, dass da auf sie einprasselt und dieser unendlichen Möglichkeiten von Fehlern schon in winzigen terminologischen Nuancen, dass sie da lieber gar nichts machen. (Musik) Paketzusteller möchtest du jetzt auch nicht vierzig Jahre machen oder dreißig. Aber ich wusste nicht, wie lange und es, ich hatte ja auch keine andere Perspektive damals. Wenn dir mal was einfällt, dann machst du halt mal was anderes. Und das fiel mir dann, ja, 1980 irgendwann ein, als ich dann nämlich geheiratet habe und meine damalige Frau war damals schon Lehrerin im Angestelltenverhältnis. Und da ergab sich für mich die sensationelle Möglichkeit nochmal zu studieren und von meiner Frau finanziert zu werden. Und dann wollte ich erstens was ordentliches machen. Was irgendwie eine Perspektive hat. Zweitens was mich inhaltlich interessiert. Und drittens, was dann auch einen existenzielle Grundlage schafft. Dann habe ich mich für Jura entschieden. Ich glaube von der ersten Woche an war das genau mein Ding. Und ich fühlte mich angekommen. Ich war da schon fast 28 glaube ich und hatte große Angst, dass ich unter all diesen 19 jährigen Abiturienten da jetzt schrecklich unangenehm auffallen würde und dass es ganz peinlich sei, dass da so ein alter Knacker rumsitzt. Das führte auch dazu, dass ich natürlich diese ganzen Umwege, die man als Student machen muss um erstmal im Leben anzukommen, die hatte ich ja schon hinter mir. Ich habe dann sehr schnell Mindeststudienzeit studiert und dann Referendarzeit in Schweinfurt und 87 das zweite Examen. Also ich war ja vier Jahre im Ministerium, wo ich nicht hin wollte. Ich wollte nie Beamter werden und wollte auch nicht Ministerialbeamter werden. Aber das wurde mir halt angeboten. Das war so ein Angebot, was man nicht ablehnen kann, weil es mit einer Perspektive verbunden war. Der, und ich meine der Perspektive zum Bundesgerichtshof vorgeschlagen zu werden, habe ich das gemacht und war ganz froh, dass ich das gemacht habe. Das hat mich sehr fasziniert und ich habe sehr viel gelernt da in dem Ministerium. Unter anderem war in dem Referat, was ich ja geleitet habe auch die sogenannte strafrechtliche Aufarbeitung des SED-Unrechts. Das waren Rehabilitierungsverfahren insbesondere. Das waren aber auch solche Unterbringungssachen. Also DDR-Psychiatrie. Ich habe auch mal ein sehr interessantes, als noch vor der Ministerialzeit, eines der Verfahren, der Strafverfahren in der sogenannten Waldheim Prozesse der Jahre 1950 bis 53 geführt. Also gegen einen dieser Waldheim Richter. Die in diesem sogenannten Gericht, Außenstelle Waldheim des Landgerichts Chemnitz, Anfang der fünfziger Jahre übrig gebliebene Gefangene der sowjetischen Militäradministration abgeurteilt haben. Fern jeglicher rechtsstaatlicher Prinzipien und zu brutalen Strafen wegen teilweise wahrscheinlich zutreffenden, teilweise aber vollkommen willkürlichen, aus den Fingern gesogenen und durch nichts bewiesenen, in allen Fällen, durch nichts bewiesenen Vorwürfen zu zwanzig, 25 Jahren Zuchthaus, 24 Todesurteile. Das waren alles Volksrichter damals. Leute, die in der DDR ausgebildet wurden in so ein bis zwei Jahres Kursen. Teilweise, der zum Beispiel, den ich selber verurteilt habe, war früher selbst im KZ als KPD-Mitglied gewesen. Denen wurde gesagt, das sind die Nazi-Verbrecher und wir haben die Aufgabe die abzuurteilen. Es ging nicht darum, ob die schuldig sind, sondern nur, dass die schnell, geräuschlos verurteilt wurden. Habe alle damals noch lebenden Zeugen in Deutschland, teilweise auch im Ausland, zuhause besucht und vernommen. Viele sehr berührende Geschichten gehört. Ja, das war interessant. Vieles andere aber auch. Im Ministerium lernt man, wie es funktioniert, wie jetzt das Zusammenspiel und Politik und Recht ist, zwischen Exekutive und Legislative. (Musik) Man arbeitet ja in der Justiz auch in einem System, das auf ein hohes Maß an Verlässlichkeit, Gleichförmigkeit und Einheitlichkeit sozusagen strukturell ausgerichtet ist. Das ist an sich ja gar nichts Furchtbares. Es kann aber natürlich furchtbar werden, wenn zu diesem System dann auch noch die Menschen dazu kommen und wenn es unreflektiert bleibt. Das immer wieder faszinierendste Beispiel, von dem auch sehr viele Menschen erstaunlicherweise doch immer wieder überrascht sind, ist die Struktur der Entscheidung beim Bundesgerichtshof. Bei so Prävisionsgericht. Die meisten Menschen denken ja man kommt zum Bundesgerichtshof, weil man ein ganz besonders toller Richter ist und super schlau. Und jetzt weiß man alles über Gerechtigkeit und sitzt dann da in Karlsruhe in der roten Robe und macht immerfort Gerechtigkeit. In Wirklichkeit da liest man sechshundert Akten im Jahr und sieht ja überhaupt nicht, was das für Leute sind, die da betroffen sind. Man ist ja im Revisionsgericht. Das heißt, man vernimmt keine Zeugen, man hört keine Angeklagten, man beschäftigt sich nicht wirklich mit den Lebensgeschichten, sondern man bewertet schriftliche Urteile von Landgerichten, manchmal Oberlandesgerichten aber meistens Landgerichten, darauf hin, ob da Rechtsfehler drin sind. Und das ist in einem solchen Maße gefiltert, durch mehrere formelle und informelle Filter, dass man sich der sogenannten Wahrheit nur noch in sehr distanzierter Weise nähert. Egal, wie auch immer man das jetzt beurteilen mag. Bei jedem Strafsenat, beispielsweise beim Bundesgerichtshof, laufen im Jahr etwa 650 Revisionen auf. Die müssen bewältigt werden. Die müssen entschieden werden. Manche Akten davon sind, also das sind ja immer nur, ich rede jetzt nicht von den Verfahrensakten, sondern nur von den Revisionsakten. Manche sind sechzig Seiten dick, das sind die ganz dünnen. Und manche sind sechstausend Seiten dick, das sind die ganz dicken. Und dazwischen ist alles möglich. Und davon 650 im Jahr. Das ist eine ganze Menge. Da muss man 15 Sachen pro Woche erledigen. Und das kann man, wenn man weiß, beim Bundesgerichtshof kann man in Strafsachen entweder durch Urteil, also Hauptverhandlung und Urteil, das ist das, was man immer im Fernsehen sieht, wenn die roten Männchen dann da reinspaziert kommen und dann eine Weile rumstehen und sich dann hinsetzen, oder durch Beschluss machen. Durch Beschluss geht aber nur, durch Beschluss geht erstens wesentlich schneller, aus mancherlei Gründen. Manche davon sind gut, manche sind total schlecht. Zweitens geht es nur als einstimmig. Beschluss geht nur einstimmig. Und wenn man nicht 95 Prozent aller Sachen einstimmig durch Beschluss entscheidet, kann man die Arbeit nicht schaffen. Das ist über die Jahre so gekommen. Und dieser Beschlussentscheidungsmöglichkeit, die ursprünglich mal als seltene Ausnahme eingeführt wurde, ist heute die absolute Regel und die Hauptverhandlungen sind die seltene Ausnahme. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass man über zehn, 15, zwanzig Jahre mit den selben Leuten, die ja nicht von einem selber ausgesucht wurden als die besten Freunde, die man hat auf der Welt, sondern das sind Karrierejuristen, die von irgendwem politisch oder nichtpolitisch beeinflusst da hingewählt wurden und mit denen man häufig doch, sagen wir, gepflegte persönliche Distanz hat. Mit denen sitzt man 15 Jahre lang selben Senat und muss 95 Prozent aller Entscheidungen in schwierigen Sachen einstimmig machen. Das ist eine Aufgabe, die einen mental an die Grenze der menschlichen Leistungsfähigkeit bringen kann. Und ein Senat, also diese Gruppe, die aus sieben Leuten besteht in unterschiedlichen Konstellationen, aber immer die selben sieben Leute oder acht Leute, vor die Aufgabe stellt, das komplett zu verdrängen. Irgendwie zu bewältigen, diese zahllosen massiven Konfliktmöglichkeiten, die da herrschen. Diese Abneigungen, diese Rachebedürfnisse, diese Nachtragung, diese Kleinkariertheit, diese Furchtsamkeit, diese unendliche Genervtheit, wenn man Menschen über Jahre zuhören muss, denen man nicht zuhören möchte. Und vieles andere mehr. Heraus kommt ein System, das in einem außerordentlich hohen Maße, wie ich es mir sonst überhaupt nicht begegnet worden ist, auch nicht bekannt ist, auf Gleichförmigkeit ausgerichtet ist, ja. Sie müssen Einstimmigkeit erzielen. Mit Menschen, mit denen Sie keine Einstimmigkeit eigentlich haben oder herstellen können. Sie müssen die Fragen, die zu entscheiden sind, so reduzieren und auf so formale Weise definieren, dass sie sagen können, okay, ja, okay, einverstanden. Alles, was du jetzt gesagt hast ist zwar dummes Zeug, sage ich dir aber natürlich nicht. Deine Argumente finde ich alle, finde ich überwiegend kleinkariert. Ich sehe das ganz anders. Aber ich stimme zu, ja. Und das erfüllt die eigenen Erwartungen nicht, enttäuscht und führt zu Enttäuschung, manchmal auch Aggression. Und erfüllt natürlich auch nicht entfernt die Erwartungen, die die Mehrzahl der Menschen hat, die sich ja denkt da sitzen jetzt so weise alte Frauen und Männer, so mittelalte bis alte, die sich so tief in die Augen schauen und immer sagen was, wie können wir jetzt diesem Angeklagten Gerechtigkeit zuteil werden lassen? Das ist eine Vorstellung, die nur sehr abstrakt dann stimmt. (Musik) Dass ich irgendwie ein bisschen vielleicht als ungewöhnlich erschienen bin oder als unruhiger Geist, das ist halt einfach so. Es kommt so aus einem raus. Weil man manche Sachen gut findet und andere nicht. Natürlich spielen biographische Fragen immer eine Rolle wenn man den Eindruck hat, dass es schwierig ist mit Leuten umzugehen, die immer ganz genau wissen was man machen soll. Oder gar was man denken soll oder was man gut oder schlecht finden soll. Das ist nicht so mein Ding. Ich frage lieber mal warum eigentlich und könnte man es nicht auch anders machen? Und dann kann man sich ja immer noch entscheiden. Diese Volatilität, um das mal sehr neudeutsch auszudrücken, der Position und diese Fremdheit auch in Systemen, die eigentlich Fremdheit gar nicht zulassen. Also Beispiel Revisionsgericht Bundesgerichtshof. Dass da plötzlich wie so ein Fremdkörper durch die Gänge schleicht, von dem man immer nicht genau weiß, ist das noch einer von uns oder nicht? Das ist eine ganz faszinierende persönliche Erfahrung. Aber die führt glaube ich, wenn ich es mal sehr euphemistisch sagen darf, führt schon auch dazu, dass bei manchen Kollegen, manche sind natürlich dann völlig in sich versteinert, die, das ist dann nur blanker Hass. Aber andere Kollegen vielleicht, man muss ich mich ja nicht mögen, denen hat es vielleicht genutzt. Und zum Beispiel ist die Frage der, des sich Wehrens gegen willkürliche und unfaire Behandlung im Personalbereich ist, wird heute deutlich lockerer gesehen beim BGH als vor meinem Verfahren. Es ist heute eben keine Sensationsmeldung mehr wert, wenn da einer eine Konkurrentenklage erhebt. Sondern es ist ganz normal. Ist ja auch in jedem Landratsamt und in jedem anderen Gericht und in jeder Behörde gibt es ja auch solche Klagen und es ist ja auch nichts Schlimmes. Jeder Staatsbürger darf sich ja darüber beschweren, dass die Verwaltung ihm Unrecht tut. Manchmal wird auch Richtern unrecht getan. Es gibt gewisse Grenzen innerhalb derer ich mich bewege. Und bevor ich mich irgendwie zum Affen mache, da gehe ich halt lieber Pakete zustellen, ja. Und ehe ich mich rumkommandieren lasse oder schikanieren lasse oder misshandeln lasse, da gehe ich halt weg, ja. Und das sind natürlich so gewisse Grundkonstellationen. Das hat ja nichts im Hintergrund, dass man die ganze Zeit denkt ich bin der Tollste und Stärkste und Beste. Sondern das bedeutet halt nur, dass man sagt, mal schauen, ob, wie man das aushalten kann. (Musik) Was müsste sich ändern? Es ändert sich permanent etwas in eine bestimmte Richtung. Und diese Richtung, die kann man für unvermeidlich halten oder für richtig oder für gut. Man kann sie auch für bedrohlich und Angst, furchterregend halten. Diese Tendenz zur Moralisierung des Rechts und zur Informalisierung des Rechts, eine große Tendenz von einer, von einem fragmentarischen Recht, also einem Recht, das sagt an bestimmten Kristallisationspunkten kann man symbolisch Regeln klar machen und die Regeln müssen sich in einem demokratischen Kommunikation weiterentwickeln. Dahin, dass man sagt, wir müssen von Staats wegen eine Komplettsicherheit herstellen. Der Mensch an sich ist eine so große Gefahr, weil die Menschen nicht mehr an Regelsysteme, an Normen und an Gemeinschaften gebunden sind. Sondern weil ihnen halt vom ersten Monat an heutzutage beigebracht wird, dass sie nur überleben können, wenn sie als Einzelkämpfer und Einzelkonkurrenten durch die Welt gehen, niemandem mehr vertrauen und auch selber kein Vertrauen erwarten und sich permanent selbst optimieren auf Kosten anderer. Und wenn man so lebt und wenn man gesagt kriegt, das ist die Welt, in der du groß wirst und sterben musst und jetzt sieh mal zu, wie du dein Leben organisierst, dann führt das dazu, dass natürlich alle Gemeinschaften zusammenbrechen. Und führt zugleich auch dazu, dass die Furcht steigt, weil jeder einzelne andere Mensch ein Fremder ist. Es gibt kein Zuhause mehr, es gibt nur noch Fremdheit. Diese Fremdheit muss kontrolliert werden. Und die wird kontrolliert durch einen übermächtigen Sicherheitsapparat und Staat, der das Ganze strukturiert und der einem solche Illusionen von Gemeinschaft verleiht, wie sie heutzutage im Internet vorzufinden sind. Und gleichzeitig sagt, je mehr man kratzt an den Seelen und Persönlichkeiten der Einzelnen, desto mehr Gefahren erkennt man und jeder hat noch schlimmere Gedanken und noch schlimmere Gedanken und wir müssen noch mehr ins Internet schauen, wir müssen noch mehr auf die Homepages und auf, in die Computer schauen. Möglicherweise ist das immer noch ein schreckliches Bild und verbotener Gedanke. Und schreckliche Worte werden gemurmelt in der Dunkelheit und all das bedroht uns ständig. Und damit beschäftigen wir uns ja. Also jedenfalls wir in den reichen Ländern beschäftigen uns damit. Und das müsste man, natürlich, wenn man mich fragt, was müsste sich ändern, kann man sagen das müsste sich ändern. Aber das ist ein frommer Gedanke. Weil ja nicht die Welt, wie ja uns schon Karl Marx beigebracht hat und auch andere schon vor ihm, sich die Welt nicht danach richtet, was wir wünschen und sagen, sondern umgekehrt wünschen wir das, was die Welt uns sagen lässt. (Musik) #00:22:23-9#